In der Mitterteicher AWO gibt es eine Gruppe für Demenzkranke.
„Der Opa kennt sich nicht mehr aus.“ Dieser Satz wird – früher wie heute – oft unüberlegt von den Enkelkindern ausgerufen. Gedächtnisschwäche im Alter ist nichts Neues. Doch heute hat die Krankheit einen Namen: Demenz. Warum das Thema die Medien immer häufiger beschäftigt, mag viele Ursachen haben. Für Gudrun Brill, Ansprechpartnerin für Demenzkranken-Betreuung in der AWO, ist die Thematik aufgrund des demografischen Wandels in den Vordergrund gerückt. Früher, meint sie, habe man Demenzkranke in den Großfamilien „aufgefangen“. Es sei nicht groß darüber geredet worden. Während es heute für viele Betroffene zu einem großen Problem werden kann, diese Menschen neben den eigenen privaten oder beruflichen Anforderungen auch noch rund um die Uhr zu betreuen.
„Der Opa kennt sich nicht mehr aus“: Mit diesem Satz gehen aber auch Familiendramen einher. Gudrun Brill berichtet von einer Ehefrau, deren Mann an Demenz erkrankt ist. Diese Frau sei am Ende ihrer Belastbarkeit angekommen, als man sie in einem Beratungsgespräch davon überzeugen konnte, ihren Mann in einer Gruppe betreuen zu lassen. Denn um die Angehörigen zu entlasten, hat die AWO vor einem Jahr eine solche Gruppe eingerichtet. Der Zulauf war enorm. Und immer wieder kommen neue Anfragen um Aufnahme eines Patienten. Aber mehr als zwölf Patienten können nicht aufgenommen werden, da der Betreuungsaufwand enorm ist. In Mitterteich, wo die Demenzkranken in einem sehr schönen, hellen Raum zusammenkommen, stehen ausreichend Betreuerinnen unter fachlicher Leitung bereit. Drei Stunden lang werden sie beschäftigt, unter anderem mit Singen, leichten Bewegungsübungen und Gedächtnistraining oder Gesellschaftsspielen. Ein besonderes Augenmerk erfordern manche Patienten mit „Weglauftendenz“. Ihnen steht eine einzelne Betreuungskraft zur Seite.
Eines ist Gudrun Brill dabei besonders wichtig: Diese Menschen sollen nicht „versteckt“ werden, sondern in der Gesellschaft akzeptiert. Denn sie alle waren einmal im gesellschaftlichen Leben als engagierte Bürger integriert, mit unterschiedlichen Berufen wie Lehrer, Sekretärin oder Handwerker. Die Pflegefachfrau betont, dass eine geistige Tätigkeit keineswegs Garant dafür sei, nicht an Demenz zu erkranken. In ihrer Gruppe ist zum Beispiel auch eine Geschäftsfrau, die sich so ein Schicksal noch vor wenigen Jahren nie hätte vorstellen können. „Das Leben von Demenzkranken“, formuliert es Gudrun Brill einfühlsam, „ist wie ein Buch, aus dem die letzten Seiten wegfallen.“ Sie und ihre Mitarbeiterinnen gehen deshalb mit viel Mitgefühl individuell auf diese Menschen ein. Und manchmal rührt es Gudrun Brill zu Tränen, wenn sie erlebt, wie die Erkrankten wieder zu Kindern werden. „Da kommen Sätze, wie ‚Ich werde geschimpft, wenn ich nicht pünktlich heimkomme.‘ So, als hätte der Mann als Kind Angst vor dem Zuspätkommen gehabt“, erzählt sie. Selbst erstaunt stellt sie fest, dass die Patienten zwar manchmal ihr gesamtes Leben vergessen, aber Kinderlieder auswendig können. Darauf bauen Gudrun Brill und ihr Team auf. Es wird viel gesungen, erzählt, vorgelesen. Die Nachmittage finden nach einem festen Programm statt, abgestimmt auf die Fähigkeiten und Bedürfnisse des einzelnen.
„In erster Linie geht es doch darum, den Menschen in diesem Lebensabschnitt noch so viel Glück wie möglich zu bereiten und ihnen auch ein Stück Würde zurückzugeben. Eine Würde, die ihnen die Krankheit nimmt“, so Gudrun Brill.
Wer sich bei der AWO über die Gruppe informieren möchte, kann dies bei Gudrun Brill, Telefon (09633) 9346430.
Von Ulla Britta Baumer
Rundschau – 22.03.2012