Wohlfahrtsverbände unterstützen AWO-Kampagne für den ambulanten Pflegedienst
Einen fast schon verzweifelten Hilferuf richten die Freien Wohlfahrtsverbände im Landkreis an Öffentlichkeit, Kostenträger und Politik. „Die ambulanten Pflegedienste
in Bayern stehen vor einer dramatischen Situation.“
„Seit Jahren leiden sie darunter, dass die Vergütungen durch die Kranken- und Pflegekassen keine angemessene Finanzierung mehr erlauben“, warnt der AWO-Landesverband. „1x waschen, füttern, pflegen. Nur 15,49 Euro. Ambulante Pflege zu Dumping-Preisen? Darauf ist doch keiner scharf.“ Bewusst drastisch schildern
die Plakate das Problem.
Nicht weniger deutlich prangerten bei einem Pressegespräch Hannelore Bienlein-Holl von der AWO, Bernhard Wein vom Allgemeinen Rettungsverband (ARV), Jürgen Kundrat
von der Caritas und Holger Schedl vom BRK die Versäumnisse von Politik, Kranken- und Pflegekassen an.
Viel Zeit und Aufwand
Fast 70 000 Menschen werden derzeit in Bayern Zuhause von etwa 31 700 professionellen Pflegekräften betreut – Tendenz steigend. „Die meisten älteren
Menschen möchten so lange wie möglich zuhause in der vertrauten Umgebung bleiben“, schilderte AWO-Geschäftsführerin Bienlein-Holl. „Das alles geht nicht mit einer Ex-und Hopp-Pflege. Das erfordert viel Aufwand und Einsatz.“ Bernhard Wein verwies auf die enormen Personalkosten im Pflegesektor. Die Kranken- und Pflegekassen hätten aber ihre Gebühren seit Jahren nicht mehr der tatsächlichen
Kostenentwicklung angepasst. „Und das wiederum bekommen zwangsläufig die alten und kranken Menschen zu spüren. Jeder weiß, dass die Pflegequalität davon abhängt, wie viel Zeit für die Betreuung der Menschen aufgewendet werden kann.“
Der ARV-Pflegedienstleiter sprach von einer „Rennpflege“, deren Dauerbelastung auch auf Kosten des Pflegepersonals gingen. „Wir haben immer mehr kranke Mitarbeiter. Die
schaffen das einfach nicht mehr, auch wenn sie noch so motiviert sind.“
Ähnlich argumentierte Jürgen Kundrat, der mehr Zeit und Ressourcen forderte. „Nur so können wir die Pflegebedürftigen in Würde versorgen.“ Die Ambulanten Pflegedienste organisierten häufig die nötige Pflege und Versorgung nach einem Krankenhausaufenthalt und sorgten so für enorme Einsparungen bei den Krankenkassen. „Die professionelle Pflege zu Hause muss gestärkt und gestützt und darf nicht weiter ausgenutzt werden“, betonte der Caritas-Kreisgeschäftsführer.
„Wie lange hält die ambulante Pflege diese völlig unzureichenden Bedingungen aus“, fragte sich Holger Schedl, der BRK-Kreisgeschäftsführer.
Man wolle mit der Aktion auch die Bürger sensibilisieren. „Die meisten müssen früher oder später Pflege in Anspruch nehmen.“ Die Gesellschaft müsse sich fragen lassen, wie sie mit betreuungs- und pflegebedürftigen Menschen umgehe. „Wem der Wunsch, in den eigenen vier Wänden würdevoll alt zu werden, wirklich ernst ist, der hat nur eine Wahl: Die ambulante Pflege schnell und besser zu finanzieren“, appellierte Schedl.
Qualität halten
Man wolle die Öffentlichkeit wach rütteln und die ambulante Pflege rausholen aus dem Kämmerchen der Scham und des Verschweigens. „Wenn für die Milch zu wenig bezahlt
wird, ist die Aufmerksamkeit groß. Wenn die Pflegequalität zugrunde geht, hört man fast nichts. Das wollen und das müssen wir ändern“, so Schedl. Und Hannelore Bienlein-Holl fügte hinzu: „Die Freien Wohlfahrtsverbände haben gemeinsame Interessen und gemeinsam werden wir dafür kämpfen.“
aus Der Neue Tag