MdB Werner Schieder spricht mit Vertretern sozialer Einrichtungen über Bundesfreiwilligendienst

Der Deckel ist drauf – und zumindest ein bisschen brodelt es bereits. Franz Rath spricht von „einer unbefriedigenden Situation“. Von einer Wendung, die „überraschend“ gekommen sei. Der Geschäftsführer des hiesigen Roten Kreuzes spricht damit aus, was viele Vertreter sozialer Einrichtungen umtreibt: Die Umstellung auf den Bundesfreiwilligendienst (BFD) läuft aus ihrer Sicht nicht immer reibungslos. Besonders an der Deckelung für die Stellen nehmen sie Anstoß.

Bundestagsabgeordneter Werner Schieder (SPD) hat Rath und andere Vertreter zu einem Informationsgespräch über die Umstellung geladen. Im „Stadtkrug“ geht es dabei zunächst aber nicht um den Start des Dienstes, sondern um seinen vorläufigen Stopp. Vergangene Woche teilte das zuständige Bundesamt mit, dass derzeit keine BFD-Vereinbarungen mehr abgeschlossen werden könnten. Grund für die Deckelung: Nahezu alle der im Haushalt vorgesehenen 35 000 Stellen für Dienstleistende, die sogenannten Bufdis, seien bereits besetzt.

Das Bundesamt spricht wegen der großen Nachfrage von einem Erfolg. Die Einrichtungen sehen das etwas anders. Für sie bedeutet der Stopp: „Wir hätten Interessenten“ – aber „wir können sie nicht nehmen“. Wie Rath berichten auch viele andere Teilnehmer, dass das Interesse am BFD zunächst gering gewesen sei. Und nun, wo sich endlich viele Freiwillige gemeldet hätten, käme plötzlich der Stopp. Für die Einrichtungen bedeute das Planungsunsicherheit. Zumal es in Zukunft noch einmal anders aussehen könnte, ergänzt Andreas Schricker vom BRK Tirschenreuth. Dass es derzeit zahlreiche Bewerber gebe, „ist nur eine Momentaufnahme“.

Ursache dafür sei nicht zuletzt der doppelte Abitur-Jahrgang. Im Herbst, „wenn die Abiturienten ihre Studienplätze haben“, werde sich das ändern. Für die Verbände „wird es zukünftig schwieriger“, die Stellen zu besetzen. Obwohl „der Bedarf da wäre“. Dabei ist die Stellenzahl das eine, Probleme gebe es aber auch mit der Bürokratie, beklagt Claudia Prößl, Geschäftsführerin des Neustädter Kreisjugendrings. Sie warte noch immer auf den Vertrag sowie andere Unterlagen für ihre BFD-Stelle. Das Bundesamt habe bei seiner Arbeit derzeit „ganz offensichtlich Probleme“. Ganz allgemein bedeutete die Einführung des BFD eine Umstellung für die Einrichtungen. Bei der Weidener Arbeiterwohlfahrt (AWO), berichtet Vorsitzende Hilde Zebisch, hätten vor der Umstellung zehn Zivis gearbeitet. Bufdis gebe es dort heute keine mehr. Bürgerarbeiter schafften einen gewissen Ausgleich. Allerdings wünschten die Angehörigen inzwischen auch Fachkräfte statt Freiwillige in der Betreuung.

Nachwuchswerbung fehlt

Nur mehr ein Drittel der früheren Zivi- Stellen werde heute von Bufdis besetzt, hat Schieder festgestellt. Dabei sei das Fehlen der Hilfe von Zivis oder Bufdis im Arbeitsalltag nur ein Aspekt, erklärt der Geschäftsführer der Weidener Caritas, Bernhard Uhl. „Bedauerlich“ an der Umstellung sei auch, dass dadurch immer weniger junge Menschen „mit dem sozialen Bereich in Kontakt kommen“. Bedauerlich mag das für die Persönlichkeitsbildung sein. Für die Einrichtungen kann dies laut Franz Rath jedoch auch ganz handfeste Folgen haben. Sie hätten aus dem Kreis der Zivis bislang viele ihrer Mitarbeiter gewonnen. „Das ist jetzt passé.“ Und die Folgen spüre er in Form gesunkener Bewerberzahlen für Ausbildungsplätze „schon heuer“.

Arbeitszeit zu teuer

Passé sind damit auch besondere Leistungen außer der Reihe für die Kunden, moniert Angelika Würner, stellvertretende Geschäftsführerin der AWO Tirschenreuth. Nach dem Einkauf für einen alleinstehenden Pflegebedürftigen beispielsweise „kann sich eine examinierte Kraft nicht noch eine Stunde hinsetzen und mit ihm Tee trinken“, sich Geschichten von früher anhören. Dafür ist die Arbeitszeit zu teuer. Ein Zivi habe das dagegen schon gekonnt. Denn die Zivis waren laut Würner nie in erster Linie als reguläre Arbeitskräfte eingeplant. Sie hätten den Patienten eben auch mal zuhören können, ohne dass immer die Zeit drängte. „Ein Zusatz“, sagt Würner, der den sozialen Einrichtungen geholfen habe, ihrem eigentlichen Zweck nachzukommen. „Dadurch haben wir unseren Gemeinnützigkeitsauftrag erfüllt.“

Quelle: Der Neue Tag – 22.02.2012