Die Arbeiterwohlfahrt feiert ihren 100. Geburtstag. Beim Festakt in Fuchsmühl werden die „gelebten Werte“ und das rote Herz zu einem Zeichen der Solidarität. Mit einer beeindruckenden Rede überzeugt der Landesvorsitzende Thomas Beyer.
Der Geist und das Gedankengut von Marie Juchacz war bei der gemeinsamen Veranstaltung des Fuchsmühler Ortsverbandes und des AWO-Kreisverbandes Tirschenreuth stets allgegenwärtig. Ohne Juchacz‘ Einsatz gäbe es wohl die vor 100 Jahren gegründete Organisation nicht. An diese Frau, vor allem aber an die Erfolge der Arbeiterwohlfahrt erinnerte ein Festakt in der Fuchsmühler Mehrzweckhalle.
Zu einem besonderen Höhepunkt wurden die Ehrungen. Landesvorsitzender Thomas Beyer ließ zuvor mit einer wohl formulierten Rede aufhorchen, für die er viel Beifall – auch während seiner Ansprache – erntete.
Bewegende Bilder
„Nach der Sinnlosigkeit, der Not und dem Elend der Kriegsjahre besannen sich die Menschen auf ihre Fähigkeiten“, erinnerte die Fuchsmühler Ortsvorsitzende Ramona Glowka an die schwere Zeit nach 1918. „Es wurde aufgeräumt und neu geplant.“ Für neue Impulse sorgte auch das Bildungswesen. Mit der Einführung des Frauenwahlrechtes wurde den Frauen die Würde und die Selbstachtung geschenkt.
„Wir freuen uns sehr, dass wir heute zurückblicken dürfen“, ergänzte Glowka, für die der aktuelle Anlass zugleich auch eine Feuertaufe war. Zum ersten Mal seit ihrer Wahl vor wenigen Wochen leitete sie eine Großveranstaltung. Unterstützt wurde sie dabei von der AWO-Ehrenvorsitzenden und Fuchsmühler Kreisrätin Hannelore Bienlein-Holl.
Kurzweilig gestaltete sich der Rückblick, für den man ein rund 15-minütiges Filmdokument vorbereitet hatte. Der Beitrag mit bewegenden Bildern aus der Zeit nach 1918 spannte einen weiten Bogen über die Jahre des Nationalsozialismus bis heute. Zugleich war der bebilderte „Pausenfüller“ eine Steilvorlage für den Festredner, AWO-Landesvorsitzenden und Juristen Thomas Beyer. „Damit erspare ich mir den historischen Teil meiner Ansprache“, stellte der gebürtige Mittelfranke fest.
Bayer richtete sein Augenmerk auf die Gegenwart. „Wie vielfältig die Arbeit der AWO ist, das erlebe ich in den letzten Wochen.“ Er sei derzeit viel unterwegs. „Gestern war ich in München, heute in Fuchsmühl.“ Grund für seine Rundreise seien die Feierlichkeiten zum Jubiläum. Getragen werde die Arbeiterwohlfahrt von seinen Mitgliedern. Anklingen ließ er auch die Verdienste der Gründerin Juchacz und ihrer Weggefährtin Lotte Lemke, die lange Jahre als Bundesvorsitzende der AWO Impulse setzte.
Vor Ort gut aufstellen
„An so einem Tag darf man aber auch auf die schwere Zeit zurückblicken“, erinnerte er an das Bestreben der Nationalsozialisten, die AWO – wenn auch vergeblich – gleichzuschalten. Die Folge war ein Verbot der AWO, die dem Regime Widerstand leistete: „Überlegen Sie, welche Konsequenzen das hatte“, mahnte Beyer. Er forderte ein geschichtliches „Nie wieder.“ Den Aufgaben müsse man sich solidarisch und tolerant stellen, wandte er sich dem eigentlichen Thema zu.
Sein Referat über die aktuellen Herausforderungen für ein soziales Bayern ergänzte er mit der Frage: „Wie muss sich die AWO als Wohlfahrtsverband für die Zukunft aufstellen?“ Man sei von Anfang an ein Mitgliederverband. Das müsse auch so bleiben. Der demografische Wandel sei eine Herausforderung. „Wir müssen uns vor Ort gut aufstellen.“ An anderer Stelle forderte er auch eine gerechte Entlohnung der Pflegekräfte.
Zudem empfahl Beyer, die Dinge beim Namen zu nennen und sich der Zeit anzupassen. „Nur wer sich ändert, bleibt sich selber treu.“ Die Weichen seien gut gestellt. „Haltet zusammen und klärt die Dinge, die zu klären sind.“ Dankbar zeigte sich Beyer für den „schönen Nachmittag“ in Fuchsmühl, den der Orts- und Kreisverband auf die Beine gestellt hatte.
Das Schlusswort war dem Kreisvorsitzenden Edwin Ulrich aus Fuchsmühl vorbehalten. Ans Rednerpult holte er auch die „stillen Geister“, die für die Bewirtung zuständig waren. Ein weiteres Dankeschön galt der Moderatorin und AWO-Ehrenvorsitzenden Hannelore Bienlein-Holl. „So kennt man sie, so mag man sie“, würdigte er deren Engagement zum Wohl der Arbeiterwohlfahrt.
Musikalisch umrahmt wurde der Festakt von der Kreismusikschule. An der Harfe spielte Anna Bernreuther, am Piano Christiane Zölch. Begleitet wurde die Feier auch von den „Roten Socken“, Helmut Plommer und Bernd Engelhardt aus Waldsassen.
Ehrungen
Ausgezeichnet wurden zunächst fünf Fuchsmühler: Erich Köllner(Ortsteil Herzogöd) rückte in den Mittelpunkt wegen seiner langjährigen Verdienste als Orts- und Kreisvorsitzender. In seine Amtszeit fiel unter anderem die Gründung des Bunten AWO-Ladens und der Mitterteicher Tafel. Köllner war Mitbegründer der ambulanten Krankenpflege und auch des Essens auf Rädern. Zudem rief er zwei „Betreute Wohnen“ ins Leben.
Die Krönung seiner Arbeit, zu der auch eine intensive Mitgliederwerbung gehörte, war die Ernennung zum Ehrenvorsitzenden. Aus gesundheitlichen Gründen konnte er aber nicht teilnehmen. Die Anerkennung nahm seine Ehefrau Marianne entgegen. In dem Gasthof von Heinrich Ulrich seniorwurde die AWO Fuchsmühl 1952 aus der Taufe gehoben. Ehrenmitglied Ulrich gehört zu den Urgesteinen und blickt auf 67 Jahre Mitgliedschaft zurück. Heinrich Schärlist Ehrenbürger seiner Gemeinde. Er trat der AWO vor 40 Jahren bei. Kreisvorsitzender Edwin Ulrich betonte in seiner Laudatio: „So manches konnte er für die kleinen Leute tun.“Minne Weißzog bei Wind und Wetter durch die Straßen, um Spenden zu sammeln. Bekannt wurde sie durch zahlreiche gemeinnützige Aktionen und Veranstaltungen. „Sie ist der gute Geist der AWO. Lange Jahre war sie im Vorstand tätig“, stellte sie der Kreisvorsitzende vor. Sieglinde Sperbersorgte als langjährige Schatzmeisterin für eine – so Ulrich – „akkurate“ Finanzsituation im Ortsverband, für den sie auch erfolgreich als Sammlerin für Geldspenden auftrat.Renate Plommerkommt aus dem Ortsverband Waldsassen. Maßgeblichen Anteil hatte sie bei der Mitgliederwerbung ihres Verbandes. Während ihrer Amtszeit als Ortsvorsitzende wuchs der Mitgliederstand von 48 auf inzwischen 189. Plommer engagiert sich in der Flüchtlingsarbeit, zudem unterstützt sie auch die Mitterteicher Tafel. Ebenfalls aus Waldsassen kommt Engelbert Schack. Seit 45 Jahren geht er von Haus zu Haus. Er zählt zu den erfolgreichsten Spendensammlern seiner Heimatstadt. „Dass er überall hilft, wo er gebraucht wird, ist nahezu selbstverständlich“, lautete Edwin Ulrichs Fazit.Max Zintlaus Steinmühle betreut den Ortsvorsitz seiner Heimatgemeinde. Auf sein Konto gehen – neben der Vorstandsarbeit – das Angebot „Seniorenkaffee“, Faschings- und Weihnachtsfeiern. Mit seinem Humor würzt er die regelmäßigen Ausflüge. Bettina Steckermeierbewegt die von ihr betreute Seniorengruppe in sportlicher Hinsicht. Sie wohnt in Tirschenreuth. Mit ihrem Einsatz vermittelt sie seit 25 Jahren die Freude am Sport. Steckermeier sorgt damit auch für einen Zusammenhalt unter den älteren Mitbürgern, die sich ihr angeschlossen haben.
Bilder: wro für onetz.de