Die Sozialdienste im Landkreis sind derzeit besonders gefordert. Allein die Arbeiterwohlfahrt betreut im Landkreis etwa 900 Senioren und Menschen mit Behinderung. Geschäftsführerin Angelika Würner berichtet aus dem stark veränderten Alltag.
„Gestern hat mich ein Mann angerufen und wollte wissen, ob er wegen einer Frage zu Corona hier richtig ist. Wir haben lange geredet, dann hat er gefragt ob er wieder anrufen darf“, erzählt Angelika Würner. Weil sich Anrufe von Menschen, die nur reden wollen, häufen, hat die AWO-Chefin ein „Plaudertelefon“ eingerichtet. Seitdem stehe es nicht mehr still. Dass in ihrem Betrieb alles weiterlaufe und noch viel mehr als sonst geleistet werde, rechnet sie ihren 95 Mitarbeitern – darunter 46 Krankenschwestern – hoch an. Keiner habe sich wegen der gestiegenen Anforderungen ausgeklinkt.
„Wir sind die, die an der Front kämpfen. Unsere Pflegepersonen sind hochgefährdet“, betont Würner. Deshalb sei auch das Personal sofort komplett getestet worden. Viel Lob hat die AWO-Chefin für den Krisenstab am Landratsamt und das Gesundheitsamt übrig. Jede Frage im Zusammenhang mit dem Coronavirus werde umgehend geklärt.
Was ihr aber nicht gefällt: Weil die AWO als Verein eingetragen sei, komme sie leider nicht für das Hilfspaket der bayerischen Staatsregierung infrage. Umso mehr freue sie sich über den Einsatz von MdB Uli Grötsch, der ihr nun Unterstützung zugesichert habe. Weil nicht ausreichend Mund- und Nasenmasken vorhanden waren, hat man mit Hobby-Näherinnen in der Region Kontakt aufgenommen. Zum Vorgehen von Rechtsanwälten gegen die Verwendung des Begriffs „Schutzmasken“ meint Würner schmunzelnd: „Wir bestellen keine Schutzmasken, sondern Rotzbremsen.“
Eigener Krisenstab
In der AWO-Zentrale komme täglich ein eigener Krisenstab zusammen, auch samstags und sonntags. „Täglich ändert sich alles. Wir müssen improvisieren“, so Würner. Einen Boom gebe es derzeit beim Essen auf Rädern. Gekocht werde in den Behindertenwerkstätten St. Elisabeth. „Möchte ein Senior aber lieber Essen von einer Metzgerei, bringen wir auch das“, ergänzt Würner. Das Essen und der Einkauf werden vor die Tür gestellt. Viele Senioren, die einsam sind, freuen sich über die kurze Abwechslung und wollen reden. „Wir plaudern natürlich mit ihnen, durch die Tür oder auf Abstand durch einen Spalt“, informiert Angelika Würner.
Keine Kompromisse könne man bei der Pflege machen. Da sei Körperkontakt unumgänglich, entsprechend strikt seien die Schutzmaßnahmen. Wie gefährlich das Virus sei, sehe Angelika Würner auch am Tod von Bekannten. „An einem Tag habe ich fünf Trauerkarten schreiben müssen.“ Die Leute brauchten jetzt Hilfe und Zuspruch, auch junge Menschen. Würner erzählt von einer fünfköpfigen Familie, deren Mitglieder allesamt positiv getestet worden seien. Der Vater der jungen Mutter müsse nun alleine zurecht kommen – auch für ihn habe man aber eine Lösung gefunden.
Für die Zeit nach der Krise wünscht sich die AWO-Chefin, „dass die Leute endlich begriffen haben, wie wertvoll jedes einzelne Menschenleben ist“. Und sie will auf einem Fest auf dem Mitterteicher Marktplatz inmitten von Hunderten von Menschen sitzen, ganz sorglos. Aber so weit sei es noch lange nicht. Noch laute bei der AWO die Devise: „Helfen, helfen, helfen.“
Bilder: exb für onetz.de