Bei den Pflegediensten schrillen die Alarmglocken. Die ambulante Pflege im Landkreis Tirschenreuth ist in vielen Orten in Gefahr. Vor allem in kleinen Dörfern könnte es bald keinen Dienst mehr geben.
Die drei Wohlfahrtsverbände BRK, Elisabethenverein und AWO trafen sich mit Politikern, Verwaltungsfachkräften und Vertretern weiterer Verbände zu einem Krisengespräch im Landratsamt, um die derzeitige Situation bei der ambulanten Pflege im Landkreis Tirschenreuth zu analysieren. Dabei zeigte sich, wie schwierig die Situation mittlerweile geworden ist. Vor allem in kleinen, abgelegenen Ortschaften besteht die Gefahr, dass sie bald gar nicht mehr angefahren werden.
Immer wieder fielen Schlagworte wie Wirtschaftlichkeit, Pflegepersonalmangel und Demografie, welche die Situation mittlerweile maßgeblich prägten. Als Vertreter des BRK beklagte Kreisgeschäftsführer Holger Schedl vor knapp 40 Teilnehmern laut Mitteilung des Landratsamts, „dass ein immer enger werdendes Korsett“ den Pflegediensten im ländlichen Raum zunehmend die Luft zum Atmen raube.
Kommunale Verantwortung
Der Geschäftsführer des Elisabethenvereins, Rainer Schmid, verwies bei dem Treffen auf die kommunale Verantwortung für ambulante Pflege und erinnerte an das im SGB XI zur regionalen Pflegebedarfsplanung vorgesehene Konstrukt der Pflegekonferenzen.
Landrat Roland Grillmeier äußerte sich vor dem Hintergrund der im klinischen Bereich ebenfalls kritischen Entwicklungen wie folgt: „Es ist unabdingbar, hier Lösungen für die Pflegestruktur in der Region zu entwickeln.“ Ob das über die Gesundheitsregion plus Nordoberpfalz oder durch den Landkreis selbst realisiert werden kann, müsse geprüft werde. Landrat Grillmeier: „Am Ende braucht es aber eine grundlegende Auseinandersetzung mit der Entwicklung der ambulanten Pflege.“
Die Initiatoren des Treffens hatten auch den Geschäftsführer der Vereinigung der Pflegenden in Bayern (VdPB), Michael Wittmann, zu einem Fachvortrag eingeladen. Er stellte eine Studie vor, die den Bedarf an ambulanter Pflege im Landkreis Tirschenreuth bis in das Jahr 2037 untersucht. „Die Studie zeigt, dass der Bedarf an ambulanter Pflege im Landkreis bis zum Jahr 2037 um bis 40 Prozent steigen könnte“, schreibt das Landratsamt. Da in der Studie nur Zeiträume vor Corona beurteilt worden sind, sollen auch die Veränderungen durch die Coronakrise genau angesehen werden. Eine aktualisierte Version der Studie erwartet Wittmann laut Landratsamt im Frühjahr des nächsten Jahres.
Dörfer besonders betroffen
Die aufgezeigten Entwicklungen stellen nach der Pressemitteilung die ambulante Pflege im Landkreis Tirschenreuth vor große Herausforderungen. In einigen Bereichen seien die Kapazitäten der Pflegedienste bereits heute eng. Die Refinanzierung der ambulanten Pflege sei in vielen Bereichen vollkommen unzureichend. Die Verhandlungen mit den Pflegekassen seien zum Teil langwierig und schwierig. Das treibe auch die Pflegedienste im Landkreis Tirschenreuth teilweise an die Existenzgrenze, weil die Refinanzierung nur mit großem zeitlichem Nachlauf, wenn überhaupt, realisierbar sei. „Zum Teil sind bereits Pflegedienste aktiv von der Krise betroffen“, so das Landratsamt.
Die Dienste waren sich laut der Pressemitteilung einig, dass die Verfügbarkeit von Pflegepersonal der Nachfrage an Pflegeleistungen künftig nicht mehr gerecht werden könne. Wenn es so weitergehe, könne nicht sichergestellt werden, dass jeder, der einen Pflegedienst suche, auch Pflegeleistungen von einem Dienst erhalten könne. „Vor allem auf dem Land, in Dörfern mit weiter Anfahrt, sind Touren für Pflegedienste sehr schnell defizitär und werden gegebenenfalls gar nicht mehr angeboten.“
In der Diskussion wurde laut Mitteilung deutlich, „dass dringend Handlungsbedarf besteht“. Kommunen, Wohlfahrtsverbände und private Anbieter müssten gemeinsam daran arbeiten, wie die ambulante Pflege sichergestellt werden kann.
Die Pflegedienste hoffen, dass in naher Zukunft weiterführende Gespräche mit der Kommunalpolitik und der -verwaltung stattfinden, um die Situation grundlegend zu verbessern. Kreisseniorenbeauftragter Peter Gold aus Tirschenreuth fasste die Veranstaltung in einem Satz zusammen: „Rettet die Pflege.“
Link zum Artikel auf onetz.de: https://www.onetz.de/oberpfalz/mitterteich/insolvenzverfahren-eroeffnet-so-geht-arbeiterwohlfahrt-landkreis-tirschenreuth-id4230911.html
Bild & Text: exb für onetz.de